Kajüten von JERICHO

[Markus]

Erfreut beobachtete ich die LED von Ralph, die ich auch schnell scannte, sein Stresslevel war wirklich deutlich gefallen und das war auch gut so. Natürlich konnte es nicht ewig so bleiben, er hatte sicherlich nicht die letzte Herausforderung vor sich, aber ich würde versuchen ihm dabei zu helfen so gut wie möglich von seiner verlorenen Freundin abzuschließen. "Dann lass uns mal gehen." Ich erhob mich und trat zu der verschlossenen Tür meiner Kajüte. "Keine Sorge, unser Lager mit der Kleidung ist nicht weit von hier weg."

[Ralph]

Mit Schwung sprang auch ich auf und war nun beinahe so begeistert wie ein kleines Kind. Ralph bleibt hinter Markus. Ich wollte nicht vor oder neben ihm gehen, ich mochte es lieber, wenn Markus als eine Art Schild zwischen mir und allem anderen war. Ich hatte das Gefühl, dass Markus alles abwehren konnte was mir schaden könnte.

[Markus]

"Geht klar.", meinte ich nur grinsend, ihn aber auch bestärkend, über meine Schulter hinweg, bevor ich auch schon den Gang die Kajüten hinunter wählte, tiefer in das Innere des Schiffes hinein. Noch vor unserem Lager, zumindest den Sachen, die wir länger lagern konnten, bog ich in eine der beinahe völlig trockenen Kajüten ein. Dort befanden sich viele Kisten und auch ein gefüllter Kleidungsschrank. "Hier sind wir richtig."

[Ralph]

Ich ging hinter Markus her, dicht an der Wand entlang, auch wenn wir niemandem auf unserem nicht zu weitem Weg begegneten, aber ich wollte sicher gehen. Mein Kopf ruckte bei jedem Knarzen herum, aber ich blieb auf den Fersen des Androiden vor mir. Bald kamen wir an einer Kabine an, in die Markus abbog und ich ihm natürlich gleich hinterher. Hier war einiges an Kleidung. Sehr viel einiges. Meine LED blinkte gelb, während ich alles erfasste und dann versuchte zu entscheiden was wohl passend wäre. Ich hatte in meinem Leben bisher noch sehr wenig anderes getragen als meinen Overall und mein Cape. Ralph ist sich nicht sicher was man zu einem Begräbnis anzieht.

[Markus]

Ralph war dicht hinter mir hergefolgt, aber es war mir auch lieber so gewesen, denn ich hatte ihn keine einzige Sekunde aus meinem Scanbereich gelassen. Ich drehte mich dann wieder ganz zu ihm, nachdem wir beide stehengeblieben waren. "Ich habe meinen... Menschen, Carl, schon einmal auf ein Begräbnis begleitet.", erzählte ich, wobei ich kurz zögerte bei meiner Bezeichnung für Carl. Es waren noch andere Bezeichnungen an meine Prozessoren gekommen, die ebenfalls hätten passend sein können. "Die meisten Menschen bevorzugen es schwarz zu tragen.", erklärte ich Ralph, "Ein Anzug oder ähnlich formelle Kleidung wäre ebenfalls nicht unüblich." Mit diesen Worten drehte ich mich tatkräftig um und öffnete die erste Box.

[Ralph]

Ralph hat noch nie etwas anderes als seine Arbeitskleidung getragen. Zögernd folgte ich Markus zu der Box, die er öffnete und linste ihm über die Schulter, von wo aus ich dann recht ratlos auf all die verschiedenen Kleidungsstücke hinabblickte. Was hatte Markus' Carl bei diesem Begräbnis an? Ich wusste nicht wie es war einen Menschen als festen "Besitzer" zu haben, uns hatten abwechselnd verschiedene Leute überwacht, aber gehört hatten wir keinem. Blythe hatte ich als meinen Menschen angesehen, aber das war natürlich etwas anderes gewesen. Allerdings klang Markus nicht böse, als er über Carl sprach. Vielleicht ist Carl nett zu Marus gewesen?

[Markus]

Als einzigartiger Android hatte ich natürlich nie eine solche Arbeitskleidung gehabt, wie sie ein WR600 wie Ralph hatte, natürlich war ich dennoch unmerklich ein Android gewesen, der einem Menschen gehört hatte, aber meine Erfahrungen waren vollkommen anders gewesen. "Fühlst du dich in deiner Uniform wohl?", fragte ich also Ralph, während ich auch die alte Schranktür öffnete, in der ich tatsächlich etwas fand, das wohl einmal ein Anzug von einem Menschen gewesen sein musste. Er war auch noch in einem halbwegs ansehnlichen Zustand. Ich holte den Anzug aus dem Schrank heraus und hielt ihn vor mich. "Carl hatte einen einfachen schwarzen Anzug für mich, ähnlich wie diesen. Weißes Hemd, ebenfalls schwarze Krawatte."

[Ralph]

Ralph mag Sachen die er kennt. Aber Ralph mag sein Cape am Liebsten. Ich zupfte wie so oft an besagtem Cape herum, während ich auf der Stelle hin und her trat, immer irgendwie in Bewegung. Markus zog einen Anzug aus dem Schrank und hielt ihn vor seinen Körper. Ich legte den Kopf etwas schief und betrachtete den anderen Androiden. Markus sieht aus als könnte er alles tragen und gut hinein passen.

[Markus]

Zustimmend nickte ich, ich trug auch am liebsten die Kleidung, die ich für mich selber herausgesucht hatte, jetzt wo meine Programmierung nicht mehr alleinig bestimmte. Ich grinste dann jedoch breiter, als Ralph etwas sagte, was ich nicht gerade erwartet hatte. "Dafür dass du wenig Übung hast im Umgang mit anderen, kannst du sehr charmant sein, Ralph.", scherzte ich mit einem Zwinkern und hielt ihm dann den aufgehängten Anzug hin, "Probier diesen an."

[Ralph]

Ich sah Markus mit großen, verwirrten Augen an, meine LED blinkte mit einem unsicheren gelb. Ralph hat nur gesagt was er denkt. Hat Ralph das richtige gesagt? Auch wenn ich irritiert war, so folgte ich doch Markus' Aufforderung und legte mit unschlüssigen Bewegungen mein Cape und meine Arbeitskleidung ab und zog den angewiesenen Anzug an, auch wenn ich einige Probleme mehr damit hatte, denn ich wusste nicht recht wie dieser sitzen sollte und so zog ich immer wieder daran herum.

[Markus]

"Es war sehr schmeichelhaft. Zumindest würde ich annehmen, das ist der richtige Ausdruck dafür.", versicherte ich Ralph sofort, als ich seine Unsicherheit bemerkte, "Danke, für das Kompliment." Ich lächelte ihm ermutigend zu, denn ich wollte seine charmante Art selbstverständlich loben. Er wirkte beinahe geübt darin, wenn man ihn sonst nicht gekannt hätte. In einer anderen Welt vielleicht. Ganz automatisch trat ich an ihn heran, wie ich es bei Carl auch viele Male getan hatte, und richtete den Kragen mit zwei geübten Handgriffen. "Hier." Dann trat ich weg, um ihn einerseits nicht zu bedrängen, und andererseits ihn noch gänzlich zu betrachten.

[Ralph]

Ein kleines, aber deutlich erfreutes Lächeln überzog mein Gesicht, dass sehr schnell zu einem breiten Strahlen wurde. Ich liebte es gelobt zu werden und Markus tat gerade genau das. So voller positiver Energie, dass ich förmlich auf der Stelle vibrierte, ließ ich meinen Kragen auch ohne jeglichen Protest von Markus richten und sah diesen dann mit fragend schief gelegtem Kopf und zwar blinkender, aber immerhin blau schimmernder LED an. Sieht Ralph jetzt wie jemand aus der zu einer Beerdigung geht?

[Markus]

Wenn ich darüber nachdachte, hätte Ralph bestimmt ein gutes Subjekt für ein Portrait oder Gemälde ergeben, er war interessant genug alleine um ein Kunstwerk zu sein. Wie Simon auch. "Du hast ein sehr schönes Lächeln, Ralph.", machte ich ihm sogleich das Kompliment, das mir in diesem Moment in denn Sinn gekommen war. Ich genoss es sehr, dass ich seit meiner Weiterentwicklung zum Abweichler immer mehr meinen ästhetischen Sinn weiterentwickelte, etwas was ich zugegeben, auch bereits unter Carl getan hatte, nur eingeschränkter durch meine Programmierung. "Perfekt." Ich nickte zufrieden. "Ich selber werde schon etwas bis morgen finden, ich denke ich werde Simon fragen." Ich sah mich um, Simon kannte sich hier besser aus, und er würde mir etwas passenderes empfehlen können. "Fühlst du dich bereit? Möchtest du dich wieder zurück umziehen, bevor wir zu den anderen gehen?" Ich wollte Saphir an ihrem ersten Tag hier nur ungerne länger alleine lassen, als ich es sowieso leider schon getan hatte, genauso wie Richard nach seinem traumatischen Erlebnis in den letzten Tagen, der immerhin über etwas wichtiges mit mir hatte sprechen wollen.

[Ralph]

Ich sah Markus recht verwundert an und blinzelte einige Male, als könnte ich seine Worte nicht recht verarbeiten, was auch irgendwo der Fall war. Mein Gesicht allgemein war nicht eben etwas was irgendjemand mit dem Wort "Schön" in Verbindung bringen würde und bisher hatte das auch niemand getan. Nicht, dass es da viele Kandidaten gegeben hätte. Meine LED blinkte ein paar Mal gelb auf, ehe sie sich aber doch zurück in den blauen Bereich bewegte. Ralph weiß nicht was er da drauf antworten soll. Immerhin hatte ich eine Antwort gefunden, eine sehr ehrliche auch noch. Ich legte meinen neuen Anzug nun sorgfältig wieder ab und legte ihn zusammen, damit er nicht kaputt ging. Wieder in meinem Overall und mit dem beruhigend vertrauten Gefühl des Capes um meinen Schultern drückte ich das Bündel Kleider an meine Brust und trat unschlüssig von einem Bein auf das andere. Will Markus auf den Versammlungsplatz gehen? Werden da wieder viele andere Androiden sein?

[Markus]

In die Mitte des Versammlungsplatzes würde sich Ralph vermutlich noch eine ganze Weile nicht wagen, denn in dessen Mitte sammelten sich tatsächlich einige Androiden, besonders Androiden, die sozialen Anschluss brauchten. Auch zogen sich viele Androiden immer wieder hierher in die Kajüten zurück. "Nein. Nicht zu allen anderen.", versuchte ich ihn zu beruhigen und erklärte dann weiter, "Aber es ist ein neuer Android hier angekommen, ich habe sie hierher gebracht, Saphir. Ich kenne sie schon, bevor wir Abweichler waren. Sie ist ein RK wie ich." Ich scannte ihn, aber stellte erfreut fest, dass seine Stresslevel weiter unten geblieben waren. Es war gut, ich wollte nicht, dass sich Ralph weiter in Gefahr brachte, so schrecklich seine Erlebnisse auch gewesen waren. "Ein alter Freund ist gerade bei ihr. Richard, er ist vor kurzer Zeit von JERICHO verschwunden, aber hat wieder zu uns gefunden."